Kariesexkavation – nicht alles neu, aber einiges besser?

Traditionell galt die vollständige Kariesexkavation als Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche restaurative Therapie. Neue Ergebnisse aus klinischen Studien und ein besseres Krankheitsverständnis haben in den vergangenen Jahren zu einem Paradigmenwechsel bei der Behandlung kariöser Läsionen geführt. Untersuchungen belegen, dass bei tiefer Karies das selektive Belassen kariösen Dentins in Pulpennähe zu weniger Pulpenexpositionen und postoperativen Komplikationen führt. Befürchtungen hinsichtlich einer voranschreitenden Karies durch zurückbleibende Bakterien wurden aufgrund der dicht versiegelnden Wirkung der Restauration hingegen nicht bestätigt. Im nachfolgenden Beitrag werden verschiedene Strategien zur Kariesexkavation vorgestellt sowie deren Vor- und Nachteile auf Basis aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse aufgezeigt und bewertet.

22.05.2016

 

Basierend auf einem veränderten Verständnis der Erkrankung Karies, hat sich auch bei der Behandlung kariöser Läsionen ein Paradigmenwechsel vollzogen. Statt einer symptomatischen Entfernung der Läsion wird vielmehr mittels noninvasiver Strategien versucht, die Erkrankung kausal zu therapieren. Daneben werden mikroinvasive Maßnahmen (Versiegelung, Infiltration) eingesetzt, um Läsionen durch den Aufbau einer Diffusionsbarriere gegen Biofilmsäuren zu arretierten. Beide Strategien zielen auf die Verhinderung der Restaurationsspirale ab (Verhinderung oder Verzögerung der ersten invasiven/restaurativen Therapie). Für zahlreiche kavitierte, also nicht reinigungsfähige Läsionen sind noninvasive Strategien jedoch nur begrenzt wirksam, während eine Versiegelung mittels Kunststoffen nicht stabil genug scheint, um die eingebrochene Oberfläche langfristig wiederherzustellen. Im Milchgebiss wird daher heutzutage mittels Stahlkronen versiegelt (sog. Hall-Technik); auf bleibende Zähne kann dieses Prinzip jedoch nicht übertragen werden. Daher werden für viele kavitierte Läsionen auch weiterhin invasive Therapien angewendet werden müssen. Diese zielen auf die Wiederherstellung der Oberfläche durch die Platzierung von Restaurationen ab. Im Zusammenhang mit solchen restaurativen Maßnahmen wird traditionell kariöses Dentin exkaviert. Zahlreiche klassische Gründe für eine solche Exkavation (Bakterienentfernung, Schaffung einer retentiven Kavität, Entfernung demineralisierten Dentins) gelten jedoch nur noch sehr eingeschränkt. Der wichtigste Grund, warum vor einer Restauration kariöses Dentin entfernt werden muss, ist die Herstellung einer Kavität, die optimale Bedingungen für ein langfristiges Restaurationsüberleben bietet. Dabei sollte jedoch nur so viel kariöses Dentin wie nötig entfernt werden (demineralisiertes, aber bakterienfreies Dentin kann belassen werden). Bei tiefen Läsionen sollte zudem versucht werden, die Integrität der Pulpa zu erhalten. Dies sollte somit neben dem Restaurationsüberleben gerade hier hohen Stellenwert haben. In solchen Fällen ist es daher akzeptabel, auch weiches Dentin in Pulpennähe zurückzulassen. Etwaige zurückbleibende Bakterien werden durch die versiegelnde Restauration von ihrer Nahrungszufuhr abgeschnitten und sterben ab. In der peripheren Kavität sollte hingegen hartes Dentin verbleiben, das gute Haftung und Unterstützung für die Restauration bietet (selektive Exkavation). Eine große Zahl von Studien zeigt die Überlegenheit eines solchen individualisierten, biologischen Managements kariöser Läsionen gegenüber dem traditionellen Streben nach vollständiger Entfernung allen kariösen Gewebes. Zudem scheint gerade bei kleinflächigem Zurücklassen erweichten Dentins das Restaurationsüberleben nicht eingeschränkt.

 

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